María Dueñas ist in Spanien und Lateinamerika bereits ein Bestseller-Star. Ihr Debüt-Roman „Das Echo der Träume“ (2009) wurde auf Anhieb ein Erfolg, ist in mehr als dreißig Sprachen übersetzt worden und lief in ihrer Heimat als TV-Serie. Im März 2017 hat sie in Deutschland ihren neuesten Roman „Wenn ich jetzt nicht gehe“ präsentiert – einen originellen historischen Abenteuerroman im Spannungsfeld von der alten Kolonialmacht Spanien, der jungen mexikanischen Republik und dem kolonialen Kuba.
Zurück in ihrer spanischen Heimat schwärmt sie: „Meine kürzliche Reise nach Deutschland war eine wunderbare Erfahrung! In Berlin hatte ich eine Buchvorstellung im Instituto Cervantes, und in Köln war ich bei einem großen Event mit Kreuzfahrt über den Rhein im Rahmen des Festivals lit.Cologne dabei. Bei beiden Gelegenheiten wurde ich von kompetenten Moderatoren und Schauspielerinnen begleitet. Das war eine besondere Erfahrung für mich, denn in Spanien haben wir Schriftsteller nicht diese Art Buchvorstellung, begleitet von Darstellern mit professionell geschulten Stimmen.“ Ihr jüngster Roman liefert in der Tat viel Potential für szenisches Vorlesen: Im Mittelpunkt steht der spanische Selfmademan Mauro Larrea, der Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts nach Mexiko auswandert, dort ein Vermögen erwirtschaftet, jung verwitwet und mit seinen beiden Kindern ein Luxusleben führt, bis eine riskante finanzielle Spekulation im Silberminengeschäft ihn an den Rand des Ruins bringt. Von Schulden und der Schande des sozialen Abstiegs getrieben, schifft er sich zunächst in Kuba ein, wo ihm die Begegnung mit einer schönen, launischen Dame ein ausgefallenes Duell und schließlich das unvermutete Erbe einer Sherry-Bodega im andalusischen Jerez de la frontera einbringt. Sie wolle mit Larrea „die Entwicklung eines impulsiven, zweifelnden Mannes zeigen, der die Orientierung verloren hat und den das Leben schließlich zu La Templanza führt“, so der Name der alten Sherry Bodega. So lautet auch der doppelsinnige spanische Originaltitel des Romans, er bedeutet soviel wie Mäßigung oder Zügelung. Ob es uns an dieser heutzutage mangelt? „Ja, ich finde, in unseren Leben fehlt la templanza“, bestätigt Dueñas, „es ist eine Tugend, nach der wir öfter trachten sollten.“
Die Spanierin gibt ein überraschend unkompliziertes Bild einer Erfolgsautorin ab. Sie tritt locker und gelassen auf. In Interviews sagt sie nichts Provozierendes, sie zeigt sich eher dankbar und begeistert für ihre Projekte. Warum es ihr keineswegs schwerfällt, vor Publikum oder vor der Presse frei zu sprechen, obwohl sie erst mit 45 Jahren ihren ersten Roman publiziert hat? „Zum einen liegt das an meinem Charakter, ich bin ein offener und wenig schüchterner Mensch. Zum anderen hat das mit meinem früheren Beruf zu tun. Zwanzig Jahre lang war ich als Professorin an der Universität tätig und meine Arbeit verpflichtete mich dazu, ständig mit einem Publikum zu interagieren: im Seminarraum, auf Konferenzen und Kongressen“.
Die 51-Jährige hat einen Doktor in englischer Philologie und arbeitete zunächst als Sprachwissenschaftlerin und Professorin für Anglistik an der Universität von Murcia. Nach dem großen Welterfolg als Schriftstellerin hat sie schnell gemerkt, dass sich nicht beides parallel verfolgen lässt – die akademische Laufbahn und die Literatur – deshalb beschloss sie, die Universität zu verlassen. Aber ihren wissenschaftlichen Hintergrund betrachtet sie beim Schreiben als hilfreich, wenn es um Genauigkeit, Disziplin, die Strukturierung der Themen geht. Ansonsten vermeidet sie bewusst jeglichen akademischen Ansatz und widmet sich den Aspekten, die ihr selbst beim Lesen von Literatur gefallen: Abenteuer, romantische Verwicklungen an exotischen Schauplätzen, erzählt mit intelligentem Humor und viel historischer Staffage. Ein bisschen großes Kino. Besonders intensiv widmet sie sich der historischen Recherchearbeit, studiert diverse Zeitdokumente, reist mehrmals an die Orte des Geschehens.
Ob ihr Buch in Spanien vielleicht auch deshalb eines der meist verkauften des Jahres 2015 war, weil diese Geschichte eines Mannes, der um sein finanzielles Überleben kämpft, an so viele Schicksale im krisengeschüttelten Spanien erinnert? „Ja, in diesem Sinne mag es gewisse Parallelen geben: Die Krise hat uns zahlreiche Beispiele von Personen beschert, die plötzlich ihre Arbeit verloren haben, ihren Besitz ihre Stellung… und die sich neu erfinden mussten, um zu überleben.“ Doch die Bezüge zur Aktualität sind wenig eindeutig, ihr Erfolg beruht wohl eher auf der Universalität ihrer Geschichten, und nicht zuletzt darauf, dass sie zurückkehrt zu einem sehr klassischen, traditionellen Erzählstil.
Das Portrait ist im BÜCHER Magazin 2017 erschienen.
Info: Die spanische Schriftstellerin María Dueñas wurde 1964 in Puertollano geboren und studierte Englische Philologie, worin sie auch promovierte. Sie ist Professorin an der Universidad de Murcia und unterrichtete bereits an verschiedenen nordamerikanischen Universitäten als Gastdozentin. Im Jahr 2009 erschien in Spanien ihr erster Roman El Tiempo entre Costuras (dt. Das Echo der Träume, Blanvalet-Verlag ), 2015 folgte La Templanza, der 2017 in Deutschland mit dem Titel „Wenn ich jetzt nicht gehe“ im Insel Verlag erscheint. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.