Kentukis von Samanta Schweblin
Der neue Roman der jungen argentinischen Autorin Samanta Schweblin ist eine hochinteressante Fiktion, die unser gegenwärtiges Verhältnis zu digitalen Medien und den damit verbundenen, scheinbar grenzenlos wachsenden Möglichkeiten reflektiert.
Schweblin entwirft eine globalisierte Welt, die ein neuer Trend erobert: Eine Kreuzung aus Handy und Plüschtier, Kentuki genannt, ermöglicht eine virtuelle Verbindung zwischen dem Besitzer eines solchen Maskottchen (Kaninchen, Bärchen, Drachen, lauter herzige Wesen, die der Käufer wählen kann) und demjenigen, der irgendwo auf der Welt an einem Tablet oder PC sitzt und dank einer installierten App die mit Kamera, Mikro und Rädern ausgerüstete drollige Kreatur steuert.
So gehen Kentuki-App User und Betreuer des Kentuki eine anonyme, digitale, auf ihre Art sehr intime Beziehung miteinander ein, was dazu führt, dass Tabus gebrochen werden und manche im Glauben der trügerischen Intimität Dinge wagen, die sie in ihrem „realen“ Leben nie tun würden. Wie lange kann so eine illusorische Nähe funktionieren, wie echt sind die Gefühle, welche Abgründe tun sich auf? Das Buch spürt dem sehr spannend erzählt nach, ebenso einem scheinbar kollektiven Voyeurismus, der innere Leere, Einsamkeit sowie das Gefühl von Sinnlosigkeit leidlich kompensieren kann.
Fazit: Hochspannender, gesellschaftskritischer Roman über ein digitales Maskottchen, das die Gefühle reichlich aufmischt – zwischen Faszination, Rührung und Schaudern.
Samanta Schweblin: Hundert Augen
Übersetzt von Marianne Gareis
Verlag: Suhrkamp
Umfang: 252 Seiten