Dauerregen, liturgische Gesänge und lange Kutten: Der neue Spielfilm „Luther“ bringt gotische Stimmung auf die Kinoleinwände. Erzählt wird das Leben und Schaffen des religiösen Rebellen Martin Luther, von seiner Zeit als Mönch und Prediger über die berühmten Bauernaufstände bis zum protestantischen Glaubensbekenntnis der deutschen Landesfürsten in Augsburg. Um dieses Kapitel deutscher Geschichte einem internationalem Publikum nahezulegen, vermischt der britisch-amerikanische Regisseur Eric Till in seinem Film absichtlich Fiktion und historische Fakten – mit Erfolg.
Eine deutsch-amerikanische Koproduktion
„Luther“ ist als erste deutsche Filmproduktion in den USA uraufgeführt worden. Seit dem Kinostart am 29. September rangiert er unter den ersten zwanzig Plätzen der Filmcharts. Den Produzenten ist die schwierige Aufgabe gelungen, ein breites amerikanisches Kinopublikum für historische Ereignisse aus dem Mittelalter zu begeistern. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die Hauptrollen mit internationalen Stars – Joseph Fiennes, Sir Peter Ustinov, Alfred Molina, Bruno Ganz – besetzt sind. Da scheint es nebensächlich, dass Hauptdarsteller Joseph Fiennes, in der Rolle des Martin Luther, mit seinem schmalen Gesicht und dunklen Kulleraugen wenig mit dem historischen, bekanntlich derben und massigen Reformator gemeinsam hat. In der Presse ist „Luther“ jedoch wegen verfälschter Tatsachen bereits vor dem deutschen Kinostart kritisiert worden. Die Frage ist: Muss das Leben und Schaffen des Martin Luther im Film bis ins kleinste Detail genau dargestellt
werden?
Internationale Starbesetzung
Der Theologe Johann von Staupitz (Bruno Ganz) will den ambitionierten jungen Mönch
Luther (Ralph Fiennes) dazu bringen, in religiösen Fragen weniger verbissen zu sein. Er vermittelt ihn als Dozent an die Universität Wittenberg. Neben Fiennes und Bruno Ganz brillieren Sir Peter Ustinov und Uwe Ochsenknecht: Ustinov als gütiger Kurfürst Friedrich der Weise, der Luther auf die Wartburg entführen ließ, und Ochsenknecht als extrem fieser Papst Leo X., der den religiösen Rebellen vor die Inquisition bringen will. Trotz der internationalen Stars bleibt „Luther“ eine deutsche Produktion. Neben
Ochsenknecht beherrschen weitere deutsche Schauspieler das Filmgeschehen rund um Reformation und das Neue Testament: Mathieu Carriere, Torben Liebknecht, Jochen Horst, Christopher Buchholz. Die Rolle des gnadenlosen Kardinals Cajetan entspricht Mathieu Carrières kühlem, arrogantem Profil. Der Hamburger Schauspieler Torben Liebknecht gibt einen starrsinnigen Kaiser Karl V. ab. Christopher Buchholz, Sohn des deutschen Schauspielers Horst Buchholz, schlüpft in die Rolle des Theologen Eck, der Luther als Ketzer bloßstellen wollte.
Regisseur Eric Till verknüpft Fakten und Fiktion
War es wirklich ein Blitz, der den jungen Luther vor Gottesfurcht erstarren ließ und ihn dazu bewegte, als Mönch im Kloster zu leben? Regisseur Eric Till erzählt es so. Damit Luthers Lebensgeschichte anschaulich wird, zeigt er historische Begebenheiten anhand von – teils erfundenen – Bildern. So verpackt er auch Luthers religiöses „Turmerlebnis“ in eine konkrete Handlung: Luther sinniert über Gnade und Gerechtigkeit, während er einen Selbstmörder in geweihter Erde begräbt.
Das Vermischen von Fakten und Fiktion scheint die evangelische Kirche dem Regisseur Till keineswegs übel genommen zu haben. Der Historienfilm „Luther“ wurde unter anderem von der Versicherungsgesellschaft der amerikanischen Lutheraner, den deutschen Filmförderungsanstalten und der deutschen evangelischen Kirche mitfinanziert. Die Darstellung Luthers als mitfühlender Rebell, der Menschenmassen für religiöse Fragen begeistert, sei im Sinne der protestantischen Kirche, so der Regisseur. Bei jährlich rückläufigen Mitgliederzahlen kann der Kirche ein Film über Luther als Held und Schönling nur recht sein.
Luther, historisches Drama, USA/Deutschland 2003.
Erschienen auf NDR Online www.ndr.de, Oktober 2003