Melodien und Meer

Musikalisch waren die Kanaren stets Zentrum, nicht Peripherie. Hier entstand Spaniens erste Philharmonische Gesellschaft. Heute ist der Archipel ein Brückenkopf für die Verbreitung lateinamerikanischer Musik.

Las Palmas Casa Colon

Las Palmas, Casa Colon Foto:selbst

Hier spielt die Musik!
Seit Gründung der ersten Philharmonischen Gesellschaft Spaniens in Las Palmas vor mehr als 150 Jahren sind die Kanaren eine wichtige Station des weltweiten Konzertbetriebes. Hier treten Stars auf, die auch in London, Wien oder New York für volle Häuser sorgen. Dank des 1985 ins Leben gerufenen Internationalen Festivals für klassische Musik gastieren im Januar und Februar die wichtigsten Ensembles auf den Inseln – 2006 etwa das London Symphony Orchestra unter Bernard Haitink oder Christopher Hogwoods Basler Kammerorchester. Im neuen Auditorio Alfredo Kraus in Las Palmas ist dabei nicht nur die Akustik berauschend, sondern auch der Ausblick auf das endlose Grau des Atlantik, dessen Weite sich durch das riesige Fenster hinter der Bühne im Saal ausbreitet.

Große Oper auf der Insel
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts machten viele Ballett- und Opernensembles auf ihrem Weg nach Südamerika auf Gran Canaria Station. So wurde die kleine Insel immer mit den neuesten Produktionen der Kulturmetropole versorgt. Standesgemäße Bühne für solche Weltklasse-Aufführungen war das 1888 eröffnete heutige Theater Pérez Galdós, dessen hohen Hallen und herausragende Akustik die einzigartige Intensität des kanarischen Musiklebens mitbegründen halfen. Der wuchtige Historismus-Bau wird zurzeit für rund 3,5 Millionen Euro restauriert – ab dem Frühjahr 2007 soll er in neuem Glanz erstrahlen.

Gitarre im Konzertsaal
Er ähnelt einer Minigitarre und klingt wie eine Ukulele: Der kanarische Timple begleitet 500 Jahre lang Folklorelieder, dann geriet er in Vergessenheit. Wieder populär machte das Saiteninstrument Benito Cabrera aus Lanzarote. Von Norwegen bis Japan begeisterte der Ethno-Musiker mit dem kleinen Zupfkorpus Millionen Zuschauer – und löste in seiner Heimat eine neue Timple-Begeisterung aus. Inzwischen behaupten sich Timple-Spieler ebenso souverän im Dialog mit einem Synthesizer wie als Solisten des renommierten Sinfonieorchesters von Teneriffa.

Rhythmen der Sehnsucht
Seit dem 17. Jahrhundert wanderten Tausende Kanarier in die Neue Welt, vor allem nach Kuba, aus. Ihre Nachfahren brachten bei der Rückkehr karibische Klänge wie Són, Salsa und Bolero auf die Inseln – lange bevor diese auf dem Kontinent zum Trend wurden. Im Zeitalter des Internets sind die Kanaren immer noch ein Basislager für kubanische Musik: Der Livestream von Radio Mega Latina aus Teneriffa gilt in Spanien als Referenz für Latin-Music. Seit Juli 2005 kooperiert der Sender mit dem kubanischen Radio Taíno in La Habana – ein bisher einzigartiges Projekt (www.megalatina.fm).

GEO Special, Dezember 2005