Dieses Buch ist eine Rarität, denn der 1929 in Brünn geborene tschechische Altmeister des intellektuellen Romans hat seit 2001 nichts mehr veröffentlicht. Vier Männer – Ramon, Alain, Charles und Caliban – in Freundschaft miteinander verbunden, flanieren durch Paris, reden über Frauen, Liebe oder Krankheiten und philosophieren, etwa über die Bedeutung des entblößten Nabels bei den jungen Mädchen von heute.
Diese Spaziergänge sind auch mentale Streifzüge durch vergangene Epochen. Stalin erscheint als absurd böser Despot, schlimmer noch sind die Heuchler, die ihm dienen. Eine groteske Szene beschreibt, wie durch ein Inkontinenzproblem der als formelles Staatsoberhaupt agierende Kalinin zum Namensgeber des ehemaligen Königsberg wurde. Mehrfach lässt Kundera das Gespenst des Kommunismus erscheinen, bringt mit Wortwitz zum Ausdruck, für wie verbrecherisch er diese Epoche hält, die seine Jugend und frühen Jahre als Autor in Prag hinter dem „Eisernen Vorhang“ geprägt hat. Dabei entblößt Kundera das Reden und Handeln seiner Figuren auch bewusst als Konstrukt eines Autors, was der über allem schwebenden Bedeutungslosigkeit eine gewisse Doppeldeutigkeit verleiht. Alles ist Sprache, Fiktion, ein heiteres Spiel des Erschaffers. „Man muss sie lieben, die Bedeutungslosigkeit“ sagt Ramon gegen Ende des Romans, sie sei sogar dort gegenwärtig, wo niemand sie sehen wolle.
(nt)
Milan Kundera
Das Fest der Bedeutunglosigkeit
Übersetzt von Uli Aumüller
Verlag: Hanser
Umfang: 144 Seiten
Fazit: Das Gegenteil eines Betroffenheitsromans, heiter und satirisch, mit spürbarer Freude des Autors an seiner „Schöpferrolle“.
Original erschienen im Bücher Magazin 2015.