Über den Verlust der gewohnten Ordnung

Cécile Wajsbrot: Zerstörung

Schon der Einstieg in dieses Protokoll einer Frau, deren gewohntes freies, kulturell reiches Leben von einem Tag auf den anderen zerstört wird, ist mitreißend: Quasi über Nacht wird die Welt eine andere, nichts ist mehr, wie es war. Was bleibt, ist Verwirrung, Fassungslosigkeit, der Traum von dem, was gestern war.

Der Roman beginnt mit dem Gleichnis einer Sonnenfinsternis und sondiert darauf den Zustand des sich Wiederfindens in einer Welt, die dem Ungewissen entgegen treibt. Die Erzählerin berichtet aus dem Exil in Berlin über die plötzliche Machtübernahme eines populistisch-totalitären Regimes in Frankreich. Die verstörte, verunsicherte Stimmung, die hier erzählerisch heraufbeschwört wird, gleicht streckenweise dem Ausnahmezustand, den wir gerade durch die Corona-Krise durchleben. Wobei hier nicht ein Virus, sondern eine Diktatur die gesellschaftliche Ordnung zerstört – was düsteren menschlichen Eigenschaften den Vormarsch ermöglicht. Wajsbrot, Tochter polnischer Juden, hat als Lehrerin, Journalistin und Literatur-Übersetzerin gearbeitet und schreibend bisher überwiegend die Erlebnisse ihrer Eltern und Großeltern, die Shoah, verarbeitet. Heute lebt die 65-Jährige als freie Autorin in Paris und Berlin.

Fazit: Protokollarisches Stimmungsbild einer französischen Gesellschaft, die durch diktatorische Machtübernahme zerstört und von Angst und Ungewissheit beherrscht wird – erzählt aus der Perspektive einer Frau im Berliner Exil.

Cécile Wajsbrot: Zerstörung
Übersetzt von Anne Weber
Verlag: Wallstein
Umfang: 230 Seiten