Nach dem Erhalt des Nobelpreises hätte der türkische Autor Orhan Pamuk sich zurücklehnen und gelegentlich in Orient-Okzident-Diskussionen einbringen können. Stattdessen schenkte er der Welt einen Liebesroman: „Die Unschuld der Dinge“ handelt von der unerfüllten Liebe des reichen Kemal Keskin zu seiner armen Cousine Füsun.
Vor Sehnsucht vergehend, sammelt er alles, was er mit Füsun verbindet – Streichholzschachteln, Teegläser, Haarnadeln -, gründet ein Museum und stellt alle Fundstücke aus den Jahren 1975 bis 1984 in Vitrinen aus. Dieses „Museum der Unschuld“ hat der Autor selbst tatsächlich 2012 in dem Istanbuler Viertel Çukurcuma eröffnet. Dazu erscheint ein hochwertig bebilderter Katalog, mit zahlreichen Fotos und Texten von Pamuk, die allesamt lesenswert sind. Humorvoll schildert er, wie sein Umfeld zunächst vermuten musste, „er habe wohl eine Schraube locker“, weil er die „echten“ Gegenstände aus seinem Roman ausstellen wollte. Er wurde in Trödlerläden fündig, sogar bei eBay. Pamuk beschreibt seine heimliche Sammelleidenschaft als sublimen Genuss: „Löst man sich von dem Gedanken, man müsse andere an seinen Phantasiegebilden teilhaben lassen und sie davon überzeugen, kommt man in den Genuss schöpferischen Glücks.“
(nt)
Fazit: Pamuks Katalog zur Sammlung seines fiktiven Romanhelden Kemal Keskin dokumentiert die Entstehungsgeschichte des Museums der Unschuld sowie des gleichnamigen Romans und porträtiert Kultur und Gesellschaft im Istanbul der letzten 50 Jahre.
Orhan Pamuk
Die Unschuld der Dinge
Übersetzt von Gerhard Meier
Verlag: Carl Hanser
Umfang: 256 Seiten
Preis: 34 Euro
Roman
Das Museum der Unschuld (2008)
Übersetzt von Gerhard Meier
Verlag: Carl Hanser
Original erschienen im Bücher Magazin.