Cem, ein erfolgreicher Bauingenieur, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, wird als Kind vom Vater verlassen und wächst bei seiner Mutter in Istanbul auf. Als Teenager begegnet er Meister Mahmut, bei dem er als Brunnenbauer in die Lehre geht. Mahmut steht für die fest durch Tradition verwurzelte Vaterfigur, streng an Regeln gebunden, aber auch beschützend.
Es geschieht ein Unglück, Cem verwickelt sich in Schuldgefühle und wird selbst Vater, was er lange gar nicht weiß. Der türkische Nobelpreisträger interpretiert hier die Sage um Ödipus neu. Er verflechtet diese mit dem alten persischen Nationalepos „Schahname“ über den Herrscher Rostam, der versehentlich in der Schlacht seinen Sohn Sohrab erstach, und sinniert dabei über die Bedeutung des Vatermordes, des verlorenen Sohnes, überhaupt jeglicher Vater-Sohn-Verwicklung in Orient und Okzident. „Der moderne Mensch geht im Dschungel der Stadt unter, darum ist er vaterlos“, heißt es an einer Stelle. Man erahnt in diesem Roman auch Kritik am autoritären Regime von Erdogan in der heutigen Türkei. Als sprichwörtlich roter Faden durch die Handlung zieht sich Cems obsessive Liebe zu einer rothaarigen Theaterschauspielerin, deren feuriger Schopf für Verführung, Abenteuer und Rebellion gegen Konventionen steht.
nt
Orhan Pamuk: Die rothaarige Frau.
Übersetzt von Gerhard Meier
Verlag: Hanser
Umfang: 288 Seiten
Fazit: Ein komplexer Roman mit Anspielungen aus der altgriechischen und persischen Mythologie über einen vaterlosen jungen Mann, dessen Schicksal durch die Liebe zu einer rothaarigen Frau bestimmt wird.
Original erschienen im BÜCHER Magazin.