Der Musikwissenschaftler Franz Ritter verbringt in Wien eine schlaflose Nacht, nachdem er eine niederschmetternde medizinische Diagnose erhalten hat. Im Bett liegend, sich in der Dunkelheit hin und her wälzend, durchstreift er im Geiste Erinnerungen an sein Leben als Orientforscher: Opiumpfeife rauchend in Istanbul und Teheran, unterwegs in Aleppo und Damaskus.
Seine Erlebnisse stammen noch aus einer Zeit, bevor der Krieg begann, uralte Kulturstädte zu zerstören.
Besonders die Erfahrung des Orients durch den europäischen Künstler interessiert ihn, er spürt den Erlebnissen berühmter Orientreisender nach, wie Baudelaire, Franz Liszt, Novalis….. ebenso fasziniert ihn der so genannte zweite Orient, das von Künstlern in Musik und Literatur vielfach heraufbeschworene Morgenland, das ohne real erfahrene Ortskenntnisse beschrieben wird, nur erträumt, gefühlt. Das traumhaft-vergeistigte Erinnern des Musikwissenschaftlers folgt sehnsüchtig den Spuren seiner alten Jugendliebe Sarah, einer klugen Wissenschaftlerin, die sich mit den Mythen des Orients beschäftigt hat. Enard erhielt für diesen ambitionierten Roman den Prix Goncourt 2015.
(nt)
Mathias Enard: Kompass. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller
Verlag: Hanser Verlag
Umfang: 432 Seiten
Preis: 25 Euro
Fazit: Ein gelehrter, leidenschaftlicher Roman über die Faszination des Orients, jenseits von Krieg und Terrornachrichten.
Buchkritik erschienen im BÜCHER Magazin.